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Geschichten aus dem LebenZwischen zwei Kulturen

Schneller, höher, weiter!

 

Alexander Bondar, Sporttrainer und Unternehmer, ist mit 15 nach Deutschland gekommen. Er erzählt uns über seine Pläne, Ziele und über seinen Traum – eine Sportschule zu gründen, in der man seltene Sportarten betreiben kann.

 

Alexander, wann und woher sind Sie nach Rostock gekommen?

Nach Deutschland bin ich im Jahr 1995 aus Odessa gekommen. Ich war damals 15. Ich bin hier zur Schule gegangen, die ich 1999 abgeschlossen habe. Danach habe ich eine Ausbildung zum Koch gemacht. Später wollte ich sogar an der Universität studieren. Das hat leider nicht geklappt, da ich eine Frau und Kinder hatte und mich um sie kümmern musste. Jetzt mache ich ein Fernstudium zum Trainer an der Sportakademie in Köln.

Erzählen Sie uns über Ihre berufliche Tätigkeit!

2006 habe ich in Rostock ein Café gegründet. Im Gebäude, wo sich unser Café befindet, sind ca. 60 ehrenamtliche Organisationen untergebracht. Sie arbeiten mit behinderten und bedürftigen Menschen. Ich biete Frühstück und Mittagessen für Mitarbeiter dieser Organisationen und natürlich für alle, die in unserer Nachbarschaft arbeiten, an. Am Wochenende organisieren wir oft unterschiedliche Bankette. Ich mache hier Buchhaltung, und meine Mutter und noch einige Mitarbeiterinnen arbeiten hier jeden Tag und sind für die restlichen Aufgaben verantwortlich.
Das ist aber nicht meine einzige berufliche Tätigkeit. Meine Haupttätigkeit ist Sporttraining. Das Büro meines Arbeitsgebers befindet sich in demselben Gebäude, eine Etage höher. Das ist der «Verband für Behinderten- und Rehabilitationssport» Mecklenburg-Vorpommerns. Ich bin zur Zeit der Haupttrainer im Behindertensport des Landes Mecklenburg. Ich bin für 6 Behindertensportarten verantwortlich: Fechten, Leichtathletik, Schwimmen, Tischtennis, Segelsport und Sehbehindertensport. Seit 2006 bin ich der Nationaltrainer Deutschlands im Behindertensegeln.
Darüber hinaus arbeite ich in unterschiedliche Richtungen. Vor einem Jahr wurde ich im Rahmen des Programms „Integration durch Sport“ vom deutschen olympischen Sportbund zum ehrenvollen Botschafter des Landes Brandenburg gewählt. Das heißt, dass ich momentan für die Integration der Jugendlichen in Mecklenburg verantwortlich bin – alles, was mit dem Sport verbunden ist. Ich selbst war einst ein professioneller Sportler. Nach vielen Verletzungen musste ich meine Sportkarriere aufgeben und wurde zum Trainer. Ich trainiere unterschiedliche Altergruppen: von 6 bis 65.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Ich habe mir zwei Ziele gesetzt. Als Unternehmer strebe ich danach, dass mein Geschäft gedeiht. Was meine Haupttätigkeit angeht, will ich, dass meine SportlerInnen möglichst viel Erfolg haben. Wir bereiten uns gerade auf die Olympischen Spiele 2012 in London vor und ich möchte, dass meine SportlerInnen die meisten Medaillen gewinnen.

Wollten Sie nicht Ihre eigene Sportschule gründen?

Mein Vater und ich hatten solche Idee. Mein Vater ist Fechttrainer und trainiert schon sein ganzes Leben. Wir wollten einen ganzen Sportkomplex gründen. Nicht so einen üblichen Sportkomplex, wo man Fitness und Ähnliches treiben kann, sondern so einen, wo man seltene Sportarten betreiben kann. Das ist leider noch ein Traum, weil das alles nicht so einfach umzusetzen ist. Vielleicht werden wir das im Laufe der Zeit realisieren können.

Haben Sie sich an Fachleute oder Berater gewandt, als Sie das Cafe gegründet haben?

Nein. Es wurde mir ein Experte empfohlen, der Hilfe bei der Businessplanung leistet. Seine Dienstleistungen waren teuer und ich hatte damals wenig Geld. Jeder Pfennig zählte. Deswegen habe ich den ganzen Behördengang selbst gemacht. Ich habe immer 2 Stunden warten müssen und gebeten, dass man mir alles erklärt. Wahrscheinlich bin ich vielen auf die Nerven gegangen. Was blieb mir übrig? Mithilfe des Internets habe ich den Businessplan erstellt und das Cafe selbst gegründet. Es war für mich natürlich schwer, alles allein zu machen, aber ich habe es geschafft.

Sie sind als Jugendlicher nach Deutschland gekommen, hier zur Schule gegangen, mit neuen Leuten und neuen Regeln. Sie mussten eine neue Sprache lernen. Das war kein optimales Alter für die Integration. Fiel es Ihnen schwer, sich hier einzuleben? Wie verlief Ihr Integrationsprozess?

Ich finde, in dieser Hinsicht habe ich Glück gehabt, weil ich mein ganzes Leben lang Sport gemacht habe und viel unterwegs war. Und als wir nach Deutschland ausgewandert sind, habe ich weiter Sport gemacht. Im Sportklub habe ich neue Kontakte geknüpft und die Integration ist deswegen mehr oder weniger unbemerkt abgelaufen. Natürlich hatte ich Auseinandersetzungen mit meinen Mitschülern, was ganz normal für jede Schule ist. Was die Mentalität angeht, war es für mich am Anfang schwer zu verstehen, wie Deutsche denken, wie man mit ihnen reden soll. Immerhin unterscheiden wir uns stark. Damals dachte ich, dass wir offener als Deutsche und Deutsche zielstrebiger und zielorientierter als wir sind. Heute verstehe ich natürlich, dass das nicht ganz stimmt. Am meisten haben mich an Deutschen damals zwei Sachen begeistert: Leidenschaft, mit der sie ihre Tätigkeit ausüben, und Pünktlichkeit.

Fühlen Sie sich wohl in Deutschland?

Ich habe hier den größten Teil meines Lebens verbracht – natürlich fühle ich mich hier wohl. Deutschland ist zu meiner zweiten Heimat geworden.

Alexander, was würden Sie neu einsteigenden russischsprachigen Unternehmern raten, die hierher aus Russland und anderen GUS-Staaten gekommen sind?

Positive Einstellung ist erforderlich. Und man sollte keine Angst haben. Wenn man etwas beabsichtigt hat, muss man das auch verwirklichen. Viele, die große Pläne und interessante Ideen haben, werden dabei von Angstgefühlen gehindert. Ich denke, dass Deutschland kein Land ist, wo man Angst haben sollte. Hier ist man sehr gut sozial abgesichert. Man soll einfach seine Vorhaben umsetzen, und es wird alles klappen.

Ein Projekt des Deutsch-Russischen Austausch e.V. im Rahmen des Bundeprogramms "XENOS - Integration und Vielfalt". Deutsch-Russischer Austausch e.V.