Leonid Kogan, gelernter Zahnmediziner, ist vor sechs Jahren nach Deutschland gekommen und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Potsdam. Er erzählt über seine Ausbildung, seinen beruflichen Werdegang, neue Ideen und Pläne.
Leonid, erzählen Sie bitte, woher Sie gebürtig stammen und wann Sie nach Deutschland gekommen sind.
Meine Frau und ich sind beide in Moskau geboren und im Dezember 2005 nach Deutschland gekommen. Beruflich bin ich mein ganzes Leben in der Zahnmedizin tätig gewesen. Bei meiner Ankunft in Deutschland wurden mir sogar alle Diplome anerkannt, weil ich in Amerika gelernt und in Moskau in einer der führenden Kliniken gearbeitet habe. Aber dadurch, dass ich schon über vierzig war, als wir hierher kamen, war es für mich schwer, eine Arbeit zu finden. Ich fand eine Stelle in Magdeburg, aber verdiente zu wenig Geld, um die Familie zu ernähren.
Und dann verstand ich, dass ich selbst etwas machen musste. Eine Arbeit im Bereich der Zahnmedizin zu finden war nicht mehr möglich, und auf Zuschüsse angewiesen zu sein ist auch traurig, man muss sich bewegen, wir sind noch jung, man muss noch etwas machen, darf nicht herumsitzen. Aber das Problem lag darin, dass wir bei der Anreise nach Deutschland Sachsen-Anhalt zugewiesen wurden, dem kleinen Städtchen Burg südlich von Magdeburg, wo es überhaupt keine Arbeit gab. Die Stadt ist sehr schön, älter als tausend Jahre, es gibt unglaubliche Schlösser, aber sie ist für Rentner. Und für diejenigen, die etwas erreichen wollen, gibt es dort weder Geld noch Arbeitsplätze. Ich fand zeitweise eine Arbeit in Berlin, zwar nicht in meinem Beruf, aber zumindest kam ich dadurch aus Burg heraus. Wir sind dann umgezogen. Zuerst wollten wir nach Berlin, aber für kleine Kinder ist es natürlich in einer kleinen Stadt viel besser. Also entschlossen wir uns, in Potsdam zu bleiben und haben das noch nicht eine Minute bereut. Hier gibt es ganz andere Voraussetzungen, es gibt die Möglichkeit zu arbeiten, es gibt Geld, es gibt Dienstleistungen aller Art. Und als ich bei meiner vorläufigen Arbeit gekündigt habe, begann ich darüber nachzudenken, was zu tun war. Als ich aus Burg umzog, wurde mir klar, dass es ein großes Problem ist, eine Firma zu finden, die Umzüge organisiert. Man muss zumindest zwei Monate verhandeln, dann kann man sicher gehen. Also dachte ich – bitte schön, hier gibt es eine Marktlücke - und fing an, in diese Richtung zu arbeiten. Zurzeit muss ich allerdings meine Idee für einige Zeit hinten anstellen, da ein guter Lastwagen teuer ist. Aber der Gedanke ist noch nicht abgehakt.
Anschließend entschloss ich mich, mit etwas anderem anzufangen. Wie ich schon gesagt habe, habe ich mein ganzes Leben in der Zahnmedizin gearbeitet, aber vor einigen Jahren, noch in Moskau, habe ich bei meiner Mutter ein altes Sofa aus dem 18. Jahrhundert gefunden, das stark beschädigt war. Und dieses Sofa versuchte ich zu reparieren… Ich brachte dafür meine Freizeit nach der Arbeit auf, stellte es in unsere Garage, setzte mich damit auseinander, wie es von den damaligen Herstellern bearbeitet worden war, veränderte den Lack, den Bezug, und es wurde einfach erstaunlich. Später fand ich heraus, dass eine solche Restauration in einer Werkstatt für Antiquitäten 5000 Dollar kostet. Und ich dachte: Das ist eine interessante Sache. Ich fing an, mich weiter damit zu beschäftigen, zuerst nur für mich selbst. Ich kaufte irgendwo auf Flohmärkten kaputte Stühle, Rahmen, Spiegel und restaurierte alles. Es fing an, mir gut zu gelingen, zu mir kamen Freunde, viele haben sich dafür interessiert – „Mach für mich und für mich…“ Und ich begann, parallel zu meiner eigentlichen Arbeit damit Geld zu verdienen, und zwar nicht wenig.
Als ich hierher kam, hatte ich mich bereits mehrere Jahre mit Restauration beschäftigt, ich beherrschte das schon. Ich habe verstanden, dass ich mit der Zahnmedizin aufhören musste. Eine eigene Praxis aufmachen, dafür gibt es hier erstens keinen Bedarf, und zweitens kostet die Ausstattung sehr viel Geld, das ist eine sehr teure Sache. Und anschließend gibt es keine Kunden. Ich entschloss mich dazu, mich neu zu orientieren und registrierte mich als selbständig, lernte viele Leute kennen. Heute bearbeite ich nicht nur alte Möbel, sondern auch moderne, die Bestellungen sind sehr vielseitig. Und was ich hervorheben möchte - man ist mir dabei sehr entgegengekommen. Hier, in Potsdam, als ich meiner Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt gesagt habe, dass ich mich in diesem Bereich selbstständig machen möchte, gab es keine Hindernisse, im Gegenteil, sie hat mir sehr geholfen, zum Beispiel ein Darlehen zu bekommen. Ich habe eine tolle Beziehung zu ihr aufbauen können, sie ist ein sehr angenehmer Mensch.
Jetzt arbeite ich, entwickle mich, aber... Ich werde im Sommer 48, die Zeit vergeht, und wie lange kann ich noch handwerklich arbeiten? Man muss schon über ein ruhigeres und stabileres Geschäft nachdenken. Und ich habe mir folgendes ausgedacht. Die Sache ist die, dass ich ein großer Fan der russischen Banja bin. Als ich in Burg lebte, bin ich alle zwei Wochen nach Magdeburg in die russische Banja gefahren.
Als ich anfing, hier zu suchen, in Berlin oder Potsdam, stellte sich heraus, dass es nur im Osten Berlins eine russische Banja gibt und die Preise dort sehr hoch sind. Also kam ich auf die Idee, meine eigene Banja aufzumachen, eine echte russische Banja! Ich habe einen Berater, der mir hilft. Dieses Projekt kostet ziemlich viel Geld, aber jetzt habe ich die Chance, durch das Potsdamer Budget eine gewisse Summe zu bekommen, und etwas verdiene ich in meinem jetzigen Geschäft. Wir wollen, dass meine Frau Natalja dieses Unternehmen leitet, weil ich schon mein kleines Geschäft habe. Ich werde ihr natürlich mit allem helfen. Und wir wollen auch unsere Freunde – Viktor und seine Frau – mit in die Arbeit einbinden und werden uns zu viert um dieses Unternehmen kümmern.
Großartige Idee!
Ja. In diesen drei Jahren haben wir schon viele Leute kennengelernt, ich erzähle vielen von diesem Projekt, und eine große Anzahl der Leute sagt: „Wir sind schon jetzt bereit eine Jahreskarte zu kaufen“. Weil viele die russische Banja mögen. Also zählen wir hier nicht nur auf Russen, sondern haben natürlich auch eine deutsche Zielgruppe, besonders aus der ehemaligen DDR, die die russische Banja noch aus alten Zeiten kennt. Und wahrscheinlich probieren sie auch einige junge Leute aus.
Und soll die Banja groß werden?
Ja, für etwa 50 Personen, das wird nicht so ein kleines Geschäft, sondern ein richtiges. Sie wird aber sehr gemütlich gemacht, wie eine russische Banja sein muss. Alles soll so gemacht sein, dass es den Gedanken der historischen, echten russischen Kultur hervorruft.
In welcher Etappe befindet sich Ihr Projekt?
Ich habe von vornherein für den Herbst geplant, und hatte sogar einen Ort gefunden. Im Sommer kommen natürlich weniger Leute und das Geschäft muss man genau mit der Saison anfangen, wenn die Nachfrage am größten ist. Aber da die finanziellen Zuschüsse in diesem Jahr schon ausliefen, konnten wir diesen Plan nicht einhalten. Ohne dieses Geld wird es für mich schwer, weil ich große Auslagen machen muss. Aber wenn ich jetzt einen Businessplan vorbereite, kann ich ihn in die Kommission einreichen. Im Dezember wird er durchgesehen, und vielleicht bekomme ich dann schon im Januar Geld. Wenn das funktioniert, geben wir uns Mühe, zum Frühling zu öffnen. Das hängt von dem Gebäude ab, welches ich mieten werde, und von der notwendigen Restauration. Mal sehen, darum werden wir uns später kümmern.
Leonid, fühlen Sie sich wohl in Deutschland, leben Sie gerne hier?
Ja, vollkommen. Ich war selbst darüber überrascht, besonders am Anfang. Ich kam durch die jüdische Immigration – wenn man so denkt, wer sind wir dann für sie? Ja, verständlich, die Sünden des zweiten Weltkriegs. Aber dieses Entgegenkommen ist erstaunlich! Ich bin nicht ein einziges Mal in diesen fünfeinhalb Jahren einer abschätzigen Einstellung begegnet. Während der ganzen Zeit, die ich hier lebe, egal wen ich kontaktierte, oder an wen ich mich gewendet habe, alle waren sehr höflich zu mir.
Das heißt zu den Deutschen haben Sie einen guten Kontakt, keine Kommunikationsprobleme?
Nein, nein. Natürlich sind die kommunikativen Möglichkeiten sowieso begrenzt. Das heißt, es gibt ein sprachliches Problem, ja. Und mental - ich würde nicht sagen, dass wir ganz andere Menschen sind. Nein, es gibt keine besonderen Probleme. Wie überall gibt es unterschiedliche Leute.
Leonid, und könnten Sie irgendwelche Ratschläge geben, Empfehlungen für junge, russischsprachige Menschen, die sich in Deutschland etwas aufbauen wollen?
Wenn man mich um Rat fragt, antworte ich: Wir sind nicht mehr im Land der Ratschläge, der Sowjets. Auf keinen Fall, verstehen Sie? Keine Ratschläge. Jeder macht seine eigenen, sehr individuellen Erfahrungen. Alle haben ihre Voraussetzungen, ihren eigenen Kopf, man darf nichts vorschreiben. Das Einzige – man darf niemals in Panik geraten. Wenn etwas nicht funktioniert, stelle es erst hintenan und komme später darauf zurück. Alles zu seiner Zeit, man darf nicht verzweifeln oder in Panik geraten.
Wir wünschen Ihnen, dass alles so funktioniert, wie Sie es planen, dass man Ihnen finanzielle Unterstützung gibt. Die Idee ist sehr gut, und wir sind sicher, dass Sie viele Kunden finden werden. Öffnen Sie ihre Banja, das ist das wichtigste, die Nachfrage wird kommen.