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Geschichten aus dem LebenZwischen zwei Kulturen

Mehr als renovieren…

 

Pavel Altman kam 1999 aus Chisinau nach Deutschland. Er erzählt über die künstlerische Herangehensweise in seinem Beruf als
Fliesenleger.

 

Pawel, erzählen Sie uns bitte, wie lange leben Sie schon in Deutschland und aus welchem Land sind Sie hergekommen.

Ich kam hierher im Juli 1999 – ich lebe schon seit 13 Jahren hier. Vor meiner Einreise hatte ich bereits Erfahrung als Platten- und Fliesenleger. Diesen Beruf übe ich seit 20 Jahren aus. Ich arbeitete 6-7 Jahre lang in einer Baugesellschaft bei dem Ministerrat. Es war in der Moldawischen SSR.

Sie selbst kommen aus Moldawien?

Ja, aus Chisinau. Mein beruflicher Werdegang gestaltete sich folgendermaßen: Vor der Einberufung zum Militärdienst beschäftigte ich mich sehr viel mit Pistolenschießen, erfüllte die Norm des Meisters für mobile Zielscheiben. In der Armee war ich ebenfalls erfolgreich. Nach dem Militärdienst ging ich zur DOSAAF* und arbeitete als Trainer für Pistolenschießen. Hier arbeitete ich erfolgreich zwei Jahre lang. Als ich dort anfing, waren bei den Übungen nur drei Leute anwesend, als ich ging, waren es bereits 53. Dann wurde meine Pistole gestohlen, die Polizei schaltete sich ein, ein halbes Jahr lang versuchten wir herauszufinden, wessen Schuld es war. Es wurde schier unmöglich, weiter zu arbeiten, und ich bin gegangen. Eine Weile war ich arbeitslos, und irgendwann bin ich auf eine Zeitungsanzeige „Ausbildung zum Platten- und Fliesenleger/Stuckateur“ gestoßen. Damals konnte ich mir darunter gar nichts vorstellen. Aber man musste irgendwo arbeiten, und ich ging hin. Es war eine Berufsschule für Bautechnik auf der Basis von 10 Klassen. Die Ausbildung dauerte ein Jahr, ich las viel berufsspezifische Literatur, es war sehr interessant. Ich schloss die Ausbildung mit Auszeichnung ab. Zur damaligen Zeit hatte ich bereits eine Familie, eine Tochter. Deshalb verdiente ich dazu als Kinomechaniker: Von 6:00 bis 16:00 war ich in der Berufsschule, von 16:00 bis 24:00 im Kinotheater. Und so jeden Tag. Dann bekam ich einen Praktikumsplatz auf einer Baustelle. Dort war es nicht einfach, viele hielten es dort nicht aus und gingen. Ich aber bin standhaft, starrsinnig, ich erfüllte alle Aufgaben, ging jeden Tag hin. Der Brigadeleiter wurde auf mich aufmerksam und beauftragte mich mit Fliesenlegen. Hier sammelte ich meine ersten, sehr wichtigen Erfahrungen. Der Brigadeleiter ließ mich stets alles wieder neu machen, bis alles perfekt war. Ich legte die Fliesen, riss sie wieder ab und dann ging es wieder von vorne los. Dennoch hat man mir dabei das Wichtigste in unserem Beruf beigebracht, nämlich die Oberfläche zu spüren. Die Arbeit gefiel mir, ich bekam Aufträge. Dann arbeitete ich beim Ministerrat. Ich erfand dort farbige Fugen, früher gab es so etwas noch nicht. Ich nahm Zahnputzpulver, weißen Zement und fügte verschiedene Farben hinzu. Ich hatte sehr viel Arbeit, einen Haufen von Aufträgen. Ich war also zufrieden.
Und dann begann die Perestroika, die kriminelle Situation verschärfte sich extrem. Im Ministerrat arbeiten konnte ich nicht mehr, und bei Mafiosi zu arbeiten war teilweise lebensgefährlich. Und ich sagte zu meinem Vater: „Schick uns die Einladung, wir fahren nach Deutschland.“

Ihr Vater lebte bereits in Deutschland?

Mein Vater ist zur Hälfte Jude, er war früher gegangen, im Jahre 1996, zusammen mit meinem jüngeren Bruder. Ich wollte nicht fahren, denn meine Mutter blieb in Chisinau. Sie wollte unter keinen Umständen nach Deutschland fahren. Ich aber konnte sie nicht alleine lassen. Dann hatte sie einen Schlaganfall, sie starb und ich kam hierher. Hier kam ich in ein Privatunternehmen, man hat mich als Hilfsarbeiter angestellt. Erst nach einem halben Jahr durfte ich selbständig Fliesen legen. Ein paar Jahre später aber ging die Firma pleite, alle wurden entlassen, nur mich wollte der Eigentümer behalten. Wenn Arbeit anfiel, rief er mich an. Ich hatte auch andere Arbeitgeber. Dann aber wollte ich mit dieser Art von Beschäftigung aufhören und selbständig werden.

Wie haben Sie sich angemeldet? Mussten Sie irgendwelche Kurse belegen?

Zuerst Sprachkurse. Dann kam ich in ein Integrationsprojekt, und von dort aus schickte man mich in diesen Betrieb, wo ich ein Jahr lang arbeitete. Dann, als die Firma bankrott ging, wollte ich mich selbständig melden. Das war im Jahre 2004. Damals existierte noch folgendes Gesetz: Man musste Kurse für Unternehmer belegen, um die Berechtigung zu Anmeldung zu haben. Ich besuchte diese Kurse in Berlin, und mit dem Zeugnis in der Hand ging ich zur IHK, von dort aus wurde ich zum Finanzamt geschickt. Dort zahlte ich, glaube ich, 25 Euro. Und das war es schon gewesen. Es war alles relativ einfach. Aber nur mein Abschluss als Platten- und Fliesenleger wurde anerkannt. Der Abschluss als Stuckateur wurde nicht anerkannt, denn es bedurfte einer dreijährigen Ausbildung, um als Stuckateur arbeiten zu dürfen. Und ich war damit einverstanden, als Plattenleger zu arbeiten. Die ersten Aufträge kamen von den Russen. Oft arbeitete ich für wenig Geld, aber das Wichtigste für mich ist Verlässlichkeit – ich will dem Auftraggeber vertrauen. Jetzt beschäftige ich mich nebenbei mit Mosaiken, lege verschiedene Ornamente, Figürchen aus Stein – Eidechsen, Schmetterlinge, Fische. Ich klappere verschiedene Läden ab, kaufe Steinreste und Steinscherben. Irgendwann fragte ich mich: „Warum arbeite ich eigentlich allein? Meine Frau ist doch Malerin. Wir könnten doch zusammen arbeiten, sie als Designerin.“ Und ich meldete sie als Mosaikdesignerin an. Und jetzt malt sie für mich, zurzeit z. B. malt sie Schnecken.

Sie arbeiten also zusammen mit Ihrer Frau?

Ich würde gerne, aber es gelingt nicht immer. Sie ist noch dazu eine Poetin, schreibt Gedichte. Neulich gewann sie im Poesiewettbewerb russischsprachiger Poeten in Düsseldorf. Sie sagt, sie hätte keine Zeit.

Pawel, was gefällt Ihnen am meisten an Ihrer Arbeit in Deutschland?

Mir gefällt das Material, mit dem ich hier arbeite. Während meiner Beschäftigung im Privatunternehmen z. B. arbeiteten wir ausschließlich mit echten Materialien. Daran wird hier nicht gespart. Wenn es nötig ist, wird gutes Material gekauft, egal, wie teuer es ist. Mit diesem Stoff ist es angenehm zu arbeiten.

Sind Sie im Großen und Ganzen zufrieden mit Ihrem Leben in Deutschland? Bereuen Sie es nicht, hierher gekommen zu sein?

Nein, ich bereue es nicht. Es gab schwierige Übergangsmomente. Es ist aber normal. Deutschland hat mir viel gegeben in beruflicher Hinsicht. Ich habe viel gelernt.

Mit wem haben Sie hier Kontakt? Mit russischsprachigen Bürgern oder mit Deutschen?

Die meiste Zeit verbringe ich im Kreis meiner Familie. Auf der Arbeit habe ich Kontakt sowohl mit Russen, als auch mit Deutschen. Ich habe gute Beziehungen zu den Nachbarn, auf der Datscha verstehe ich mich ausgezeichnet mit meinem deutschen Nachbarn, wir besuchen uns oft gegenseitig.

Pawel, was würden Sie russischsprachigen Ankömmlingen raten, die in Deutschland ihr eigenes Unternehmen gründen wollen?

Ich würde ihnen raten, keine Angst zu haben – es gibt nichts, wovor man Angst haben sollte. Es gibt immer Rückzugswege. Und man sollte Kameraden oder gute Berater finden. Noch besser ist es, wenn aus dem Berater gleichzeitig auch ein guter Freund wird, der mit dir wirklich mitfiebert und hilft. Alles andere kommt mit der Erfahrung.

*DOSAAF – Freiwillige Vereinigung zur Unterstützung der Armee, Luftwaffe und Flotte

Ein Projekt des Deutsch-Russischen Austausch e.V. im Rahmen des Bundeprogramms "XENOS - Integration und Vielfalt". Deutsch-Russischer Austausch e.V.