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Geschichten aus dem LebenZwischen zwei Kulturen

Goldene Hände

 

Sergej Bondar stammt aus Odessa. Er hat als einer der ersten russischsprachigen Unternehmer in Rostock seine Schuhreparaturwerkstatt und Schlüsseldienst eröffnet.

 

Sergej, erzählen Sie uns bitte, woher kommen Sie und was haben Sie in Ihrer Heimat gemacht?

Ich komme ursprünglich aus Odessa, aus der Ukraine. Meine gesamte Jugend habe ich dem Sport gewidmet. Ich bin Sportmeisterkandidat im Fechten. Darüber hinaus habe ich eine Ausbildung zum Schuster abgeschlossen. Nach dem Abschluss habe ich an einer Berufsschule eine Ausbildung gemacht und parallel in einer Schuhfabrik in Odessa gearbeitet. Nach dem Abschluss der Berufsschule arbeitete ich da weiter. Danach habe ich meine eigene Schuhreparaturwerkstatt eröffnet. Das heißt, dass ich schon in meiner Heimat als Unternehmer tätig war.
Ende 1999 bin ich zusammen mit meiner gesamten Familie – meiner Frau, meinem Kind und meinen Eltern - nach Deutschland, nach Rostock, gezogen. 2000 haben wir einen sechsmonatigen Sprachkurs besucht, der vom Arbeitsamt angeboten wurde. Nach dem Sprachkurs habe ich eine Stelle bei einer Orthopädiepraxis bekommen, wo ich ein Jahr gearbeitet habe. Meine Deutschkenntnisse waren für die Arbeit leider unzureichend. Deswegen musste ich wieder einen Sprachkurs besuchen und gleichzeitig nebenbei verdienen. Ich habe Glück gehabt und einen guten Meister und zugleich einen wunderbaren Menschen kennen gelernt, der seine eigene Schuhreparaturwerkstatt betrieben hat. Ich habe bei ihm gearbeitet, ihm bei der Arbeit zugeschaut und Erfahrungen gesammelt. Hier ist ja alles ganz anders, es werden ganz neue Technologien verwendet. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. So sind drei Jahre vergangen. Er hat mir vorgeschlagen, mich selbstständig zu machen. 2004 habe ich mich selbstständig gemacht und eine Schuhreparaturwerkstätte eröffnet. Ich war einer der ersten russischsprachigen Einwohner Rostocks, der seine eigene Schuh- und Schlüsselreparaturwerkstatt aufgemacht hat.

Sergej, wurde Ihr ukrainisches Diplom anerkannt? Sind Sie berechtigt, das Handwerk des Schusters zu lehren?

Ja, das darf ich machen. Vor kurzem habe ich jemanden ausgebildet, damit er mich bei Notwendigkeit ersetzen kann. Vor ihm war ich hier ganz allein. Er wurde mir vom Arbeitsamt zugewiesen, damit er hier ein Praktikum absolviert.

Welche Dienstleistungen bieten Sie an? Was kann man bei Ihnen reparieren lassen?

In erster Linie Schuhreparatur – Erneuerung von Schuhsohlen, Ersatz von Stiftflecken, Ausweitung von Schuhen. Darüber hinaus fertige ich Schlüssel an, baue Schlösser in Eingangs- und Innentüren ein, graviere Ringe, Besteck und andere Gegenstände. Darüber hinaus verkaufe ich Taschen, Schuhsohlen und Senkel. Ich schleife Messer und Scheren. Kurz gesagt, ich mache alles Mögliche.

Werden Schuhe in Deutschland oft zur Reparatur gebracht?

Nein, nicht immer. In den acht Jahren, die ich hier gearbeitet habe, habe ich Folgendes gemerkt: Wenn Schuhe gut und teuer sind, dann werden Deutsche sie sehr lange reparieren lassen. Oft kommen zu mir ältere Menschen, die kranke Beine haben. Für sie ist es viel einfacher, ihre alten Schuhe reparieren zu lassen, als neue zu kaufen und einzulaufen.


Sergej, auf welche Schwierigkeiten sind Sie gestoßen, als Sie nach Deutschland gekommen sind? Woran konnten Sie sich nur schwer gewöhnen?

Als ich hierher gekommen bin, war hier alles gut organisiert, was mir sofort gefallen hat. Ich fühle mich hier sehr wohl. Eine gute Stadt, das Meer ist in der Nähe, frische Luft. Mich kennen und respektieren viele in Rostock. Ich will mich nicht preisen, aber ich finde, dass das ganz wichtig ist. In den letzten zehn Jahren, die ich in Deutschland gelebt habe, habe ich keinem etwas Schlechtes getan und mir hat auch keiner geschadet.
Jetzt will ich Kontakt zu Altersheimen aufnehmen. Ich kann hinfahren, vor Ort arbeiten oder Schuhe zur Werkstatt bringen und danach zurückbringen. Mal schauen, ob es so klappt. Es wäre gut, wenn meine Werkstatt größer wäre. Um sich zu vergrößern, braucht man finanzielle Rücklagen. Die habe ich im Moment noch nicht, aber ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert.

Sergej, was würden Sie neu einsteigenden russischsprachigen Unternehmern raten?

Das Wichtigste ist, sich weiterzuentwickeln, alles auszuprobieren und den Mut nicht zu verlieren. Als ich mein Unternehmen gründen wollte, hat man mir oft gesagt: Das ist doch so schwierig, das wird viel Zeit in Anspruch nehmen und du kannst die Sprache nicht. Alles hat jedoch gut geklappt!


Ein Projekt des Deutsch-Russischen Austausch e.V. im Rahmen des Bundeprogramms "XENOS - Integration und Vielfalt". Deutsch-Russischer Austausch e.V.