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Geschichten aus dem LebenZwischen zwei Kulturen

Eine russische Insel in Rostock

 

Waldemar Buch ist 1996 nach Deutschland gekommen, und schon 1998 hat er seinen eigenen Laden "Rasputin" mit russischen Lebensmitteln in Rostock eröffnet. Über die Gründung und Entwicklung seines eigenen Geschäftes.

 

Waldemar, wann sind Sie nach Deutschland gekommen?

Ich bin im Januar 1996 nach Deutschland gekommen. Ich komme ursprünglich aus Sibirien, dem Gebiet Novosibirsk, aus der Stadt Berdsk. Das ist eine novosibirische Satellitenstadt. Dort habe ich als Regelungstechniker für Funkanlagen beim Werk „Wega“ gearbeitet, das Haushalts- und Radiotechnik hergestellt hat. Als wir hierher gekommen sind, haben wir zuerst einen Sprachkurs besucht. Ungefähr zu der Zeit habe ich einen Nebenjob im Handel gefunden. Im April 1997 habe ich mich als Unternehmer angemeldet.

Haben Sie nicht versucht, eine Anstellung in Ihrem Beruf zu finden?

Nein. Meine Sprachkenntnisse sind dafür nicht ausreichend. Am Anfang verfügte ich über gar keine Sprachkenntnisse. Darüber hinaus war dieser Beruf ziemlich spezifisch russisch, so dass es unrealistisch war, hier etwas Ähnliches zu finden. Deswegen habe ich versucht, im Handel zu arbeiten. Das hat bei mir gut funktioniert und ich habe beschlossen, mein eigenes Geschäft zu eröffnen. Zuerst haben wir auf Rügen gelebt, in der Stadt Sassnitz. Danach sind wir nach Rostock umgezogen, wo ich ein russisches Lebensmittelgeschäft aufgemacht habe.

Warum haben Sie beschlossen, nach Deutschland umzusiedeln?

Meine Verwandten leben hier. Wir haben einen Antrag gestellt und alles hat gut geklappt: nach 2 Jahren haben wir eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Da alles so schnell und ohne Schwierigkeiten verlaufen ist, haben wir nicht lange nachgedacht, unsere Sachen gepackt und sind losgefahren.

Sind Sie froh darüber, dass Sie ausgewandert sind?

Im Prinzip schon. Es geht uns hier gut. Ich habe jedoch sprachliche Probleme. Wir bewegen uns in einer russischsprachigen Umgebung: russische Kunden, russische Lieferanten, alles ist russisch. Am Anfang habe ich einen sechsmonatigen Deutschkurs belegt. Ich kann aber immer noch nicht ordentlich Deutsch sprechen.

Und stört das Sie?

Ja, das stört. Obwohl ich bei der Arbeit, wie bereits erwähnt, Deutsch nicht so oft brauche. Aber trotzdem…Gute Deutschkenntnisse sind hier nötig.

Wer hat Ihnen bei der Existenzgründung geholfen? An welche Instanzen haben Sie sich gewandt?

Keiner hat mir geholfen. Ich habe 50 Mark bezahlt und mein eigenes Unternehmen gegründet. Davor habe ich Lebensmittel von einem russischen Unternehmen auf Vertragsbasis verkauft und dafür Kommissionsgebühren bekommen. Das heißt, ich kannte schon den Absatzmarkt und das Warenvolumen. So habe ich beschlossen, mein eigenes Unternehmen in diesem Bereich zu gründen. Ich habe aber keine Hilfeleistung erhalten. Das war jedoch kein Problem: das Geschäft wurde eröffnet und existiert schon seit 1997. Wir sind mittlerweile schon dreimal umgezogen.

Erzählen Sie uns über Ihr Warenangebot. Was verkaufen Sie?

Im Großen und Ganzen sind das Lebensmittel. Einige Souvenirs sind noch von früher übrig geblieben – aus dem letzten Laden. Der war dreimal größer als dieser und dementsprechend war auch das Warensortiment größer. Wir verkaufen Flugtickets, bieten Hilfe bei Visaangelegenheiten an, wickeln Geldüberweisungen ab, schicken Pakete nach Russland, Ukraine und Israel. Wir arbeiten mit „Hermes“ zusammen.

Sie arbeiten bestimmt nicht allein – haben Sie noch Mitarbeiter?

Ja, ich habe noch zwei Mitarbeiter.

Woran konnten Sie sich nur schwer gewöhnen, als Sie nach Deutschland gekommen sind? Was war für Sie neu und ungewöhnlich?

Wissen Sie, ich habe darüber nicht nachgedacht. Ich hatte keine Zeit dafür. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet und auch am Wochenende. Damals war alles gut, ich habe viel verdient. Heutzutage ist es etwas schwieriger geworden – die Konkurrenz ist größer. In Rostock gibt es heute acht russische Läden. Darüber hinaus hat eine Abwanderung der russischsprachigen Bevölkerung angefangen, deswegen haben wir weniger russische Kunden. Wir haben jetzt weniger Mitarbeiter: früher hatten wir vier Mitarbeiter, heute sind das nur zwei. Wir werden trotzdem nicht aufgeben. Mein Laden war einer der ersten, also werde ich weiter machen. Es kommen andere Zeiten. Im Handel ist es immer so.

Waldemar, welchen Ratschlag würden Sie den neu einsteigenden Unternehmern in Deutschland geben?

Erstmal sollte man möglichst gut die Sprache erlernen. Das ist sehr wichtig, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Des Weiteren soll man sich an diejenigen wenden, die notwendige Informationen liefern und bei der Existenzgründung helfen können. Beispielsweise an solche Organisationen wie Ihre. Letztlich muss man natürlich die Wirtschaftslage sehr gut erforschen, den Markt kennen lernen und nicht fluchartig in die erstbeste Branche gehen. Kurz und bündig: erst denken, dann handeln!

Ein Projekt des Deutsch-Russischen Austausch e.V. im Rahmen des Bundeprogramms "XENOS - Integration und Vielfalt". Deutsch-Russischer Austausch e.V.