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Geschichten aus dem LebenZwischen zwei Kulturen

Mein Leben mit der Harfe

 

Die Harfenspielerin Zoryana Babyuk aus Lemberg lebt seit 2004 in Potsdam und tritt auf verschiedenen Bühnen Deutschlands auf. Außerdem unterrichtet sie das Harfenspiel in ihrer Musikschule „Viktoria“. Als sie zum ersten Mal eine Harfe sah, beschloss sie, ihr ganzes Leben der Musik zu widmen.

Zorjana, woher kommen Sie und wann sind Sie nach Deutschland eingereist?

Ich komme aus der Ukraine, aus der alten und schönen Stadt Lwow, die sich im westlichen Teil der Ukraine befindet. In unserer Familie gab es viele Musiker: meine beiden Großmütter waren Klavierspielerinnen, meine Mutter hat als Professorin an einem Konservatorium gearbeitet und mein Vater war  Chorleiter und Sänger. Als ich sechs Jahre alt war, hat man mich ins Konservatorium gebracht,   mir die Harfe gezeigt und gefragt, ob ich sie spielen will. Äußerlich hat mir das Instrument sehr gut gefallen:  so schön, in Gold. So habe ich mit sechs Jahren angefangen, Harfe zu spielen und mit 18 habe ich schon gearbeitet. Ich habe in Lwow eine Spezialmusikschule am Konservatorium besucht. Schon im 1. Studienjahr habe ich in unterschiedlichen Orchestern, im Opernhaus und in der Philharmonie gearbeitet. Ich hatte immer viel Arbeit: bin sowohl solo als auch mit verschiedenen Orchestern aufgetreten.  Wir sind viel durch die Ukraine, Karelien sowie nach Moskau gereist. Und als die Ukraine unabhängig wurde, hatten wir sehr viele Auftritte in ganz Europa. Kurz gesagt, ich habe mein ganzes Leben mit der Harfe verbracht.
Als ich vor 7,5 Jahren hierher gekommen bin, hatte ich Angst. Ich wusste nicht, wie es weitergeht. Aber fast schon am ersten Tag habe ich hier angefangen, Harfe zu spielen: zuerst in einem Duett, danach in einem Ensemble und nachher in einem Orchester. 

Zorjana, Sie waren vollbeschäftigt und haben trotzdem die Entscheidung getroffen, sich selbstständig zu machen?

Vor ungefähr drei Jahren ist bei mir ein großes Projekt reif geworden – ich habe beschlossen, eine Musikschule zu gründen. Als selbständige Unternehmerin habe ich mich jedoch schon früher angemeldet – vor 6 Jahren, als ich im Ensemble gespielt habe.
Natürlich ist aller Anfang schwer, zumal es in Potsdam schon viele Musikschulen gab. Das erfordert viel Kraft, Energie und Zeit. Da ich jetzt mehr Auftritte habe als früher – mangelt es an Zeit.

War es schwierig für Sie, alle bürokratischen Hindernisse zu überwinden? Kommt man einem in Deutschland entgegen?

Ja, definitiv. Als ich einen Kurs für neu einsteigende Unternehmer belegt habe, hat uns das Institut viel geholfen. Das Arbeitsamt auch – es hat uns für Instrumente und Kostüme eine Anleihe ohne Rückzahlungspflicht gewährt.

Sind Sie in Kontakt mit anderen  russischsprachigen Unternehmern in Potsdam?

Ich kenne ein paar Musiker, die selbstständig sind. Da ich aber in eine etwas andere Richtung gegangen bin, pflege ich mit ihnen kaum Kontakt. Hier gibt es den Bundesverband Deutsch-Russischer Unternehmer, der vor kurzem gegründet wurde. Sein Hauptziel besteht darin, die russischsprachigen Unternehmer moralisch zu unterstützen sowie ihnen eine Hilfeleistung anzubieten, die ihren Bedürfnissen entspricht. Es werden Seminare durchgeführt, beispielsweise zum Thema: „Welche Versicherung ist für Existenzgründer erforderlich?“ oder „Wie nimmt man Kontakt zum Arbeitsamt auf?“. Die Hauptidee besteht darin, die Existenzgründer und Unternehmer einigermaßen vor dem „Amtsschimmel“ zu schützen.

Welche Instrumente werden an Ihrer Schule gelehrt?

2 Arten der Harfe – die große Konzertharfe und die keltische Harfe – Klavier, Gitarre, Geige und Cello.  Gesang natürlich auch.

Wie heißt Ihre Musikschule?

„Viktorija“. Im September besteht sie zwei Jahre.

Zorjana, warum haben Sie beschlossen nach Deutschland umzusiedeln?

Zum ersten Mal war ich im Ausland (in Polen), als ich 13 Jahre alt war. Wir sind damals ungefähr ein Monat lang durch ganz Polen gereist. Seitdem wollte ich die Sowjetunion verlassen, weil es mir da nicht gefallen hat. Der Gedanke, dass ich wegfahren soll, hat mich ständig begleitet. Natürlich war das nicht einfach. Die letzten zehn Jahre, die ich in Lwow verbracht habe, hatte ich viele Auftritte in ganz Europa und ich habe mich überall wohl gefühlt. Obwohl ich die Ukraine und Lwow geliebt habe, hat es mir im Ausland trotzdem besser gefallen. Das Wichtigste, was es hier gibt und was mir dort gefehlt hat, ist die Sicherheit in jeder Lebenssituation. Hier hat man immer ein Dach über dem Kopf, es gibt immer etwas zu essen und anzuziehen. Hier mache ich mir keine Sorgen darum, dass etwas passiert und ich obdachlos bin. Diese innere Sicherheit und das Wohlbefinden sind für mich sehr wichtig.

Sprechen Sie gut Deutsch?

Ich kann nicht sagen, dass ich es perfekt kann. Meine Sprachkenntnisse reichen mir jedoch vollkommen, um mich mit Managern, meinen Schülern usw. unterhalten zu können. Ich habe Deutsch in der Schule und danach am Konservatorium gelernt, d.h. dass ich das ABC schon konnte. Hier habe ich einen Sprachkurs belegt. Aber das Wichtigste ist natürlich die Praxis.
Was gefällt Ihnen in Deutschland am meisten?
Wissen Sie, mir gefällt hier alles. An sich bin ich  sehr pünktlich und mag Ordnung. In Deutschland fühle ich mich wie zu Hause. Natürlich bin ich hier Ausländerin, aber ich habe mich hier niemals wie ein  Mensch zweiter Klasse gefühlt.

Zorjana, was würden Sie unseren Landsleuten empfehlen, die nach Deutschland einreisen und hier ein Unternehmen gründen wollen?

Sie sollten die richtigen Leute, also Experten, finden, die sich auf diesem Gebiet gut auskennen und die Existenzgründer gut beraten können. Unternehmer müssen genauso wie Musiker zuerst Noten lesen lernen.

Ein Projekt des Deutsch-Russischen Austausch e.V. im Rahmen des Bundeprogramms "XENOS - Integration und Vielfalt". Deutsch-Russischer Austausch e.V.